Lilly Vogel
Lilly Vogel-Tschudin (Maman Lilly)
8.Mai 1918 – 23. Juni 2012
„Einer muss anfangen, etwas machen. Dann kommen auch die anderen. Die Menschen helfen einander nämlich gern, aber einer muss anfangen. Man kann aus so wenig etwas machen, nur haben wir das vor lauter Perfektionismus ein wenig vergessen. Ich wollte immer mittendrin sein, anpacken, mithelfen. Aus wenig mehr machen, das fand ich immer eine interessante Aufgabe. Das war wahrscheinlich von Anfang an mein Antrieb.“
Mit diesen Worten beginnt der eindrückliche Lebensbericht von Lilly Vogel, den Susanna Schwager in ihrem Buch „das volle Leben“ (erschienen 2007 im Wörthersee Verlag, Gockhausen) veröffentlicht hat.
Ich wusste schon als Kind, dass ich nach Afrika gehen werde. Es dauerte dann zwar lange, bis es möglich wurde, aber mein grosser Wunsch war das immer. Ich hatte irgendwann als Kind zu Hause ein Buch gefunden über Afrika, das war von einem Pater, der von Lepra angesteckt worden war. Das packte mich so, dass ich wusste, dorthin gehe ich einmal. Ich weiss noch, ich sagte immer, wenn ich je heirate, muss der Mann auf der Hochzeitsreise mit mir nach Afrika, sonst heirate ich ihn nicht!
Mit diesen Worten beginnt der eindrückliche Lebensbericht von Lilly Vogel, den Susanna Schwager in ihrem Buch „das volle Leben“ (erschienen 2007 im Wörthersee Verlag, Gockhausen) veröffentlicht hat.
Ich wusste schon als Kind, dass ich nach Afrika gehen werde. Es dauerte dann zwar lange, bis es möglich wurde, aber mein grosser Wunsch war das immer. Ich hatte irgendwann als Kind zu Hause ein Buch gefunden über Afrika, das war von einem Pater, der von Lepra angesteckt worden war. Das packte mich so, dass ich wusste, dorthin gehe ich einmal. Ich weiss noch, ich sagte immer, wenn ich je heirate, muss der Mann auf der Hochzeitsreise mit mir nach Afrika, sonst heirate ich ihn nicht!
Das Mittelding, das Bekannte und Gewöhnliche, fand ich schön und recht, aber nicht so spannend. Es ist gut, wenn man neugierig ist, vor allem bei jungen Menschen. Aber bei mir hat das irgendwie nie ganz aufgehört. Wenn ich überlege, ist es wahrscheinlich die Neugierde, die einen frisch hält und lebendig. Ich wäre gerne länger in die Schule gegangen, also sehr gerne. Aber ich hatte keine Zeit, weil ich nach der obligatorischen Schule meinen Eltern im Geschäft helfen musste. Mein Vater war Konditormeister in Luzern. Weil er eine Augenkrankheit hatte und langsam erblindete, las ich ihm immer die Zeitung vor. Das war vor dem Zweiten Weltkrieg, Weltwirtschaftskrise, man wollte unbedingt wissen, was passierte in der Welt.
Meine Mutter starb sehr früh und sehr schnell, als ich zehn war. Vermutlich an einer Hirnhautentzündung. Später suchten die Verwandten meinem Vater wieder eine Frau, also eine Haushälterin mit Namen Ida, wir waren ja vier Mädchen. Ida heiratete er dann, aber es war halt nicht das Gleiche. Unsere Stiefmutter erzog uns sehr streng. Wir zogen nach Zürich und hatten dort eine Bäckerei/Konditorei. Ich lernte nach der Schule Verkäuferin. Sagen wir, ich hatte diese Lehre gemacht, weil mich meine Eltern im Geschäft brauchten. Aber ich wusste immer, irgendwann will ich noch etwas anderes machen, einmal möchte ich noch weg. Der Vater hoffte dann, mit einer Operation bei einer ganz grossen Kapazität die Augen heilen zu können. Aber die Operation misslang total, und er erblindete völlig. Das war ein sehr harter Schlag für die Familie. Sie mussten alles verkaufen, in einer Zeit, als man fast nichts dafür bekam. Der Vater hatte nur noch den Verleider und es war Krieg. An all das viele, was ich nicht lernen konnte versuchte ich mit Kursen heranzukommen. Vor allem die Sprachen Französisch und Italienisch hatten es mir angetan.
Ich glaube, man kann sich auf die Suche machen, ohne genau zu wissen, was man eigentlich finden möchte. Vielleicht trägt man in der Seele bereits eine Vorstellung, aber im Kopf hat man noch kein Bild dafür. So war es für mich, als ich 1943 durch einen Nachbarn von der Möglichkeit erfuhr, in Flüchtlingslagern zu arbeiten. Sechs Jahre verbrachte ich in solchen Lagern, in der Schweiz und nach Kriegsende auch in Deutschland. Diese Zeit prägte mich enorm. Wir Ungelernten wurden mit Kursen auf die Arbeit vorbereitet. Der Krieg war doch auf der ganzen Linie eine Ausnahmesituation, man musste vor allem improvisieren können. Mir lag das, wahrscheinlich weil ich keine Perfektionistin bin. Ich erwies mich als ziemlich robust und konnte mit der Zeit sogar in mehreren Lagern die Leitung übernehmen.
Nach diesen vielen Jahren Flüchtlingsarbeit lernte ich bei einer Erholungskur meinen zukünftigen Ehemann Ruedi kennen. Wir heirateten im Jahr 1950. Ruedi war Gärtner und wir führten eine Gärtnerei in Bern. Mit vierunddreissig, im Jahr 1952 kam Urs zur Welt und 3 Jahre später folgte Jürg. Mein Leben verlief lange relativ ruhig, voller Arbeit und zufrieden. Aber meinen grossen Wunsch – Afrika – hatte ich nie vergessen. Direkt nach dem Krieg war es sehr schwierig zu reisen. Und nachher hatten mein Mann und ich das Geschäft und die Kinder, es war immer etwas. Plötzlich jedoch gab es eine schreckliche Erschütterung in unserem Leben. Mein Mann verunfallte schwer mit dem Auto und blieb neun Monate im Spital. Das veränderte wahrscheinlich unsere Einstellung dem Leben gegenüber, jedenfalls entschieden wir, das Geschäft zu verkaufen. Und als mein Mann wieder richtig auf den Beinen war, sagte er plötzlich: „So, jetzt solltest du deine Afrikareise planen!“ Wir hatten eigentlich seit der Heirat nicht mehr davon gesprochen, also seit über 20 Jahren. Aber er hatte es nicht vergessen. Und so buchte ich 1970 die erste Reise in den Senegal und wir besuchten dort das erste Lepradorf. Wieder zu Hause konnten wir im Freundes-und Bekanntenkreis vielfältige praktische Hilfe für Bedürftige ankurbeln und genug Geld sammeln, um im Jahre 1992 eine richtige Klinik für Augenkrankheiten einzurichten. Das lag mir besonders am Herzen, ich wusste ja aus eigener Erfahrung, was Blindsein bedeutet. Mein Mann war in den vielen folgenden Jahren, in denen wir gemeinsam regelmässig nach Afrika fuhren, eine unbeschreibliche Hilfe für mich. Er starb 1981 unerwartet an einem Herzinfarkt. Die Arbeit im Senegal half mir über den Schmerz.
Es hat sich einiges getan im Senegal in den vier Jahrzehnten, in denen ich dorthin fahre. Manchmal reise ich in einem Rollstuhl, den lasse ich dann in Afrika und nehme auf der Rückreise einen mit, den man in der Schweiz reparieren kann. Wenn ich im Rollstuhl sitze, kommt die Reise günstiger. Längst ist aus dem Freundeskreis eine Stiftung geworden, und bei jedem meiner Besuche begleiten mich interessierte und geschätzte Helferinnen und Helfer.
Meine Mutter starb sehr früh und sehr schnell, als ich zehn war. Vermutlich an einer Hirnhautentzündung. Später suchten die Verwandten meinem Vater wieder eine Frau, also eine Haushälterin mit Namen Ida, wir waren ja vier Mädchen. Ida heiratete er dann, aber es war halt nicht das Gleiche. Unsere Stiefmutter erzog uns sehr streng. Wir zogen nach Zürich und hatten dort eine Bäckerei/Konditorei. Ich lernte nach der Schule Verkäuferin. Sagen wir, ich hatte diese Lehre gemacht, weil mich meine Eltern im Geschäft brauchten. Aber ich wusste immer, irgendwann will ich noch etwas anderes machen, einmal möchte ich noch weg. Der Vater hoffte dann, mit einer Operation bei einer ganz grossen Kapazität die Augen heilen zu können. Aber die Operation misslang total, und er erblindete völlig. Das war ein sehr harter Schlag für die Familie. Sie mussten alles verkaufen, in einer Zeit, als man fast nichts dafür bekam. Der Vater hatte nur noch den Verleider und es war Krieg. An all das viele, was ich nicht lernen konnte versuchte ich mit Kursen heranzukommen. Vor allem die Sprachen Französisch und Italienisch hatten es mir angetan.
Ich glaube, man kann sich auf die Suche machen, ohne genau zu wissen, was man eigentlich finden möchte. Vielleicht trägt man in der Seele bereits eine Vorstellung, aber im Kopf hat man noch kein Bild dafür. So war es für mich, als ich 1943 durch einen Nachbarn von der Möglichkeit erfuhr, in Flüchtlingslagern zu arbeiten. Sechs Jahre verbrachte ich in solchen Lagern, in der Schweiz und nach Kriegsende auch in Deutschland. Diese Zeit prägte mich enorm. Wir Ungelernten wurden mit Kursen auf die Arbeit vorbereitet. Der Krieg war doch auf der ganzen Linie eine Ausnahmesituation, man musste vor allem improvisieren können. Mir lag das, wahrscheinlich weil ich keine Perfektionistin bin. Ich erwies mich als ziemlich robust und konnte mit der Zeit sogar in mehreren Lagern die Leitung übernehmen.
Nach diesen vielen Jahren Flüchtlingsarbeit lernte ich bei einer Erholungskur meinen zukünftigen Ehemann Ruedi kennen. Wir heirateten im Jahr 1950. Ruedi war Gärtner und wir führten eine Gärtnerei in Bern. Mit vierunddreissig, im Jahr 1952 kam Urs zur Welt und 3 Jahre später folgte Jürg. Mein Leben verlief lange relativ ruhig, voller Arbeit und zufrieden. Aber meinen grossen Wunsch – Afrika – hatte ich nie vergessen. Direkt nach dem Krieg war es sehr schwierig zu reisen. Und nachher hatten mein Mann und ich das Geschäft und die Kinder, es war immer etwas. Plötzlich jedoch gab es eine schreckliche Erschütterung in unserem Leben. Mein Mann verunfallte schwer mit dem Auto und blieb neun Monate im Spital. Das veränderte wahrscheinlich unsere Einstellung dem Leben gegenüber, jedenfalls entschieden wir, das Geschäft zu verkaufen. Und als mein Mann wieder richtig auf den Beinen war, sagte er plötzlich: „So, jetzt solltest du deine Afrikareise planen!“ Wir hatten eigentlich seit der Heirat nicht mehr davon gesprochen, also seit über 20 Jahren. Aber er hatte es nicht vergessen. Und so buchte ich 1970 die erste Reise in den Senegal und wir besuchten dort das erste Lepradorf. Wieder zu Hause konnten wir im Freundes-und Bekanntenkreis vielfältige praktische Hilfe für Bedürftige ankurbeln und genug Geld sammeln, um im Jahre 1992 eine richtige Klinik für Augenkrankheiten einzurichten. Das lag mir besonders am Herzen, ich wusste ja aus eigener Erfahrung, was Blindsein bedeutet. Mein Mann war in den vielen folgenden Jahren, in denen wir gemeinsam regelmässig nach Afrika fuhren, eine unbeschreibliche Hilfe für mich. Er starb 1981 unerwartet an einem Herzinfarkt. Die Arbeit im Senegal half mir über den Schmerz.
Es hat sich einiges getan im Senegal in den vier Jahrzehnten, in denen ich dorthin fahre. Manchmal reise ich in einem Rollstuhl, den lasse ich dann in Afrika und nehme auf der Rückreise einen mit, den man in der Schweiz reparieren kann. Wenn ich im Rollstuhl sitze, kommt die Reise günstiger. Längst ist aus dem Freundeskreis eine Stiftung geworden, und bei jedem meiner Besuche begleiten mich interessierte und geschätzte Helferinnen und Helfer.
Ich glaube, dass eine sinnvolle Beschäftigung, also etwas Nützliches oder etwas für andere zu tun, glücklicher macht als vieles, das es heute gibt zur Zerstreuung. Etwas für andere zu tun erscheint mir überhaupt nicht anstrengend. Es hält einen wach und zufrieden.
Diese Ausschnitte aus dem oben erwähnten Buch von Susanne Schwager könnten Lilly Vogel nicht treffender beschreiben.
Lilly Vogel reiste insgesamt 67 Mal in den Senegal, letztmals im Jahr 2009 im Alter von 91 Jahren. Sie verstarb nach kurzer Krankheit im 95. Lebensjahr. Bis zum Schluss galt ihre ganze Fürsorge den ihr nahe stehenden Menschen und insbesondere auch denen im Senegal.
Diese Ausschnitte aus dem oben erwähnten Buch von Susanne Schwager könnten Lilly Vogel nicht treffender beschreiben.
Lilly Vogel reiste insgesamt 67 Mal in den Senegal, letztmals im Jahr 2009 im Alter von 91 Jahren. Sie verstarb nach kurzer Krankheit im 95. Lebensjahr. Bis zum Schluss galt ihre ganze Fürsorge den ihr nahe stehenden Menschen und insbesondere auch denen im Senegal.